„HERAUSFORDERUNGEN 4.0“
Die Fakuma 2015 scheint ganz im Zeichen von „Industrie 4.0“ zu stehen. In einem Gespräch mit Prof. Helmar Franz, Vorstandsmitglied von Haitian International, erfuhren wir, welche Position das Unternehmen zu diesem Thema einnimmt und welche Herausforderungen in den nächsten Jahren auf uns warten.
Herr Professor Franz, inwieweit ist das Thema Industrie 4.0 für den größten Hersteller von Standard-Spritzgießmaschinen ein Thema?
„Natürlich diskutieren wir sowohl intern als auch mit unseren Kunden über den sinnvollen Einsatz von Konzepten und Modulen im Hinblick auf „Industrie 4.0″. Aber bei jeder Entwicklung ist für uns immer der Nutzen für den Unternehmer entscheidend. Sowohl für unsere Kunden als auch für uns. Und in dieser Hinsicht gibt es, um ehrlich zu sein, noch Probleme zu lösen.“
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
„Nehmen wir nur das Thema Datensicherheit: Jeder Zulieferer, zum Beispiel für die Automobilindustrie, unterschreibt Geheimhaltungsvereinbarungen und ist damit für die Datensicherheit verantwortlich. Aber wie soll ein Unternehmen das tun, wenn nicht einmal ganze Länder und Staaten in der Lage sind, die Datensicherheit zu gewährleisten? Ganz zu schweigen davon, dass Sie als Prozessor auch eine „intelligente Fabrik“ bereitstellen müssen. Bislang kennen wir noch keinen Kunden, der dies konsequent im Sinne der Ziele von „Industrie 4.0″ tut. Ganz im Gegenteil. Eine Kundenumfrage in Deutschland hat gezeigt, dass das Thema aufgrund seiner Komplexität kurz- und mittelfristig nur in sehr wenigen Unternehmen zur Sprache kommt. Und ich gehe natürlich davon aus, dass es in anderen Teilen der Welt noch seltener in Betracht gezogen wird.“
Ist „Industrie 4.0“ also uninteressant für Haitian International?
„Die Bewegung in Richtung der 4. industriellen Revolution ist sicherlich wichtig – vorausgesetzt, dass die 3. industrielle Revolution auch sicher abgeschlossen ist. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab: Qualifikation, wirtschaftliches Umfeld, Wohlstand, gesellschaftliche Anforderungen und vieles mehr. Da viele Kunden Betriebsstätten in mehreren Ländern betreiben, sollte unserer Ansicht nach jedes Industrieunternehmen überlegen, welche Maßnahmen in dem jeweiligen Land sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar sind. Wir selbst tun das bei Haitian International schon seit einiger Zeit, und zwar sehr intensiv.“
„Wir verstehen uns in erster Linie als Maschinenbauer. Unser Anspruch ist es, hochflexible Spritzgießmaschinen mit innovativer „Technology to the Point“ zu bauen. Entwickelt für die Massenproduktion, für verschiedene Kategorien von Standard-Kunststoffteilen. Diese Maschinen müssen noch vielseitiger, effizienter und unkomplizierter werden. Sie müssen auch über standardisierte Schnittstellen vernetzt werden können, und in dieser Hinsicht gibt es für uns als Maschinenbauer noch einige Herausforderungen. Aber noch einmal: Ob, wann und wie unsere Maschinen in eine „intelligente“ Umgebung integriert werden, hängt von dem Nutzen ab, der daraus erwächst.“
Welche technischen Entwicklungen bei Maschinen sollten wir erwarten?
„Nehmen wir zum Beispiel das Thema vollelektrische Maschinen, die wir als den neuen Standard in den kleinen und mittleren Schließkraftkategorien sehen. Auch dies scheint bisher ein Widerspruch in sich zu sein, denn bisher wurde vollelektrisch gemeinhin mit Hightech und teuer assoziiert. Es wird unsere Herausforderung als Experten für Standardmaschinen sein, diesen Glaubensartikel zu „entmystifizieren“ und unseren Kunden vollelektrische Lösungen zu den Preisen anzubieten, die für hydraulische Lösungen üblich sind. Das bedeutet u.a. ein Umdenken, z.B. bei der Definition der technischen Anforderungen, die an elektrische Maschinen zu stellen sind. Nur dann haben wir eine gute Chance, hydraulische Maschinen in Zukunft durch attraktive Preise für elektrische Maschinen zu ersetzen. Und das ist unser Ziel.“
Das Problem des Öls als Medium in einem Spritzgussverfahren wäre dann ein Ding der Vergangenheit…
„Richtig. Ganz zu schweigen von weiteren Vorteilen, wie weniger Lärm bei der Produktion oder Einsparungen bei energieintensiven Kühlsystemen. Zhafir ist fest entschlossen, neben den High-Tech-Maschinen auch den Markt für kleine und mittlere Maschinen durch vereinfachte und billigere vollelektrische Maschinen zu revolutionieren. Mit dem neuen Zhafir-Werk in Chunxiao haben wir bereits die ideale Grundlage dafür geschaffen.“
Wie würde diese revolutionäre Maschine dann aussehen?
„Um elektrische Maschinen durch hydraulische Standardmaschinen ersetzen zu können, müssen viele Hausaufgaben gemacht werden. Wie bereits erwähnt, muss der Preis stimmen, damit die Frage hydraulisch oder elektrisch nicht mehr gestellt werden muss, zumindest nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen. Um dies zu erreichen, müssen die Herstellungskosten für eine solche Maschine deutlich sinken. Daher wird derzeit heftig darüber diskutiert, welche Ausstattung eine solche Maschine haben muss. „Reduce to the max“ ist hier die Devise, genau wie früher beim Smart. Das erlaubt dann neue Ansätze beim Design. Wir sind zum Beispiel der Meinung, dass es für eine so „einfache“ Maschine für den Massenmarkt nicht unbedingt notwendig ist, parallele Funktionen zu haben. Aber auch durch leichtere Komponentenmaterialien und optimierte Antriebe lassen sich erhebliche Kosteneinsparungen erzielen.“
Neben elektrischen Maschinen für kleine und mittlere Schließkraftklassen setzt Haitian International auch zunehmend auf Zweiplattenmaschinen in den großen Schließkraftklassen. Dafür wurde das neue Werk „Tong Tu Lu II“ gebaut, das größer ist als alle bisherigen Haitian-Werke…
„Richtig. Unsere servohydraulischen Maschinen – insbesondere in den großen Schließkraftkategorien – werden weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Produktstrategie sein. Die Jupiter-Baureihe mit Zweiplattentechnik wird ständig optimiert und an die verschiedenen Marktanforderungen angepasst. So wurde auch der Jupiter II plus für den europäischen Markt entwickelt. Mit einem zusätzlichen Antrieb können wir bei Bedarf mehr Leistung für schnellere Schließbewegungen und höhere Schließdrücke anbieten. Dies wurde sehr effizient gelöst. Das ist Technologie auf den Punkt gebracht!“
Herr Professor Franz, wir danken Ihnen für das Gespräch mit uns.